GUSTAV-EBERLEIN-FORSCHUNG e.V.


PERSONALNACHRICHTEN
(Fragebogen für das Archiv der Königlichen Akademie der Künste).

Gustav Heinrich Eberlein wurde 39-jährig am 29.01.1887 in die Königliche Akademie der Künste in Berlin berufen.

Maßgebend für die Aufnahme war die Schöpfung des abgebildeten "Dornausziehers" (Gipsmodell von 1882, Marmorausführung von der Nationalgalerie 1886 angekauft).

Im Jahre 1893 wurde er auf Vorschlag der Akademie zum Professor (ohne Lehrtätigkeit) ernannt.

Dornauszieher-1886


In einem handschriftlich ausgefüllten "
Fragebogen" aus dem Jahre 1898 war außer den Angaben zu "I. Persönliche, Familien- und Miltärverhältnisse", "II. Bildungslaufbahn", "III. Haupt-Werke" und "VI. Orden, Ehrenzeichen, Würden, Mitgliedschaft" auch ein "eigenhändig geschriebener Lebenslauf" erwünscht. Den Fragebogen unterzeichnete Eberlein am 04.11.1898.

Gustav Eberlein stand zu der Zeit auf einem ersten Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens. 1897 wurde ihm in der Großen Berliner Kunstausstellung eine Sonderausstellung in einem eigenen Saal eingeräumt. Die meisten der von ihm geschaffenen Kaiserdenkmäler waren enthüllt. Viele seiner auch heute noch als künstlerisch hochwertig anerkannten Skulpturen hatte man in Kunstausstellungen u.a. in Berlin, München und Wien gezeigt. 1892 heiratete er in zweiter Ehe die aufsehenerregende, 16 Jahre jüngere Gräfin Maria von Hertzberg, seine "Muse", nachdem er von Helene von Frankenberg und Ludwigstein geschieden war.

Der Text des Lebenslaufes, der auch in der Dissertation von Gabriele Pätzold zu finden ist, ist recht "eigentümlich". Er scheint - bis auf die letzten fünf Sätze - von einer um mehr als 10 Jahre früheren Vorlage abgeschrieben worden zu sein. Warum gibt sich der damals anerkannte Bildhauer so "zu ehrlich tiefstapelnd"?

Wollte er sich bewußt von anderen Künstlern, wie zum Beispiel von Reinhold Begas, Sohn eines als Maler reichen Vaters und mit den Paten Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch, absetzen, um sichtbar zu machen, daß sein Erfolg nur auf eigener Leistung beruhte?
Der "Schlüssel" zum Lebenslauf scheint der knappe Satz zu sein "
Über meinen späteren Lebensgang, der vornehmlich aus Arbeit besteht, geben meine vorn aufgezählten Werke Aufschluß.". Dieses klingt so, als wollte er sagen "Beurteilt mich nach meinen Werken! Ich weise aber darauf hin, daß ich sie, aus ärmsten Verhältnissen aus einem winzigen Dorf kommend, schuf". Allein vor diesem Hintergrund ist der gewollt "eigentümliche" Lebenslauf, der ohne die mit ihm zusammenhängenden Rubriken nicht abgedruckt werden sollte, zu verstehen. Es ist kein eigenständiger Lebenslauf, sondern nur eine Rubrik eines Fragebogens unter mehreren, die sich ergänzen.

Interessant ist es, in diesem Zusammenhang seine ausführlichen Beschreibungen "Meine Jugend- und Lehrjahre" (in G. Eberlein: Michelangelo...) zu lesen. Auch hier stapelt Eberlein eher tief, als daß er als "Angeber" auftritt. Wie "angenehm gruselig" ist es für die wohlhabenden Berliner, daß Eberleins Geburtsort Spiekershausen an der Fulda ein Nest von Schmugglern (an der hessisch-hannoverschen Grenze, an der sein Vater "Wache schob") und umgeben von Räubern war. Dieses entsprach jedoch ("etwas eingeschränkt") den Tatsachen, wie auch von meinen Vorfahren, die neben Eberleins wohnten, überliefert ist (siehe Grimm: "Gustav Eberlein - seine Kindheit in Spiekershausen an der Fulda").

Hier der ungekürzte Text des Akademie-Lebenslaufes von 1898:


"Ich wurde geboren am 14. Juli 1847 in einem Dorfe, Spiekershausen, bei Hannöv. Münden. Mein Vater war Steuerbeamter, meine Mutter eine Bäuerin, geb. Bein, aus diesem Ort.

Mit 8 Jahren etwa kam ich nach Münden, besuchte erst die reformierte Schule, dann die katholische, dann die protestantische, dann wieder die katholische und wurde in der protestantischen Schule und Kirche confirmirt. Es bewegte mich, seit ich denken kann, ohne daß ich von außen in den kleinen armen Verhältnisse Anregung empfangen hätte nichts, als der Gedanke Künstler zu werden. Entweder Bildhauer Maler Musiker Schriftsteller oder Architekt. Durch einen zufälligen Kauf meines Vaters, alter classischer Literatur, vor und nach Goethe, in der hilberghausenschen Ausgabe bestehend, wurde ich in früher Jugend bekannt mit der ganzen classischen kunstsamen Literatur. Außerdem habe ich fast alles gelesen, ohne Auswahl, was sich damals in Münden in den mir zugänglichen Kreisen an Werken der Dichtung befand. Leider mußte ich ein Handwerk, die Goldschmiedekunst, die sehr darnieder lag, ergreifen. Ich zeichnete malte dichtete ohne jede Förderung bis tief in die Nacht. Und im Allgemeinen ist es noch jetzt so, es bewegt mich auch jetzt nichts als Kunst und jede ihrer Formen. Nach einer Lehre von 3 1/2 Jahren, in welcher ich mich tief unglücklich bei schwerer körperlicher Arbeit fühlte, ging ich auf die Wanderschaft nach Hildesheim. Der kränkliche, der Welt abgewendete, immer in seinen Fantasien lebende Jüngling war ein schlechter und ungeschickter Goldschmied; er wurde dort nicht verstanden und mußte nach 1/4jährigem Aufenthalt, an Leib und Seele krank, wieder zurück in seine Heimath.

Ich setze hierbei meinen lieben Eltern ein bescheidenes Denkmal der unbegrenzten Dankbarkeit und Liebe.

Ohne jede Bildung, ohne eine Erziehung genossen zu haben, die Herzensgüte und Herzenstakt fördert, haben sie in echter, wahrer Empfindung den unglücklichen, einer anderen Geistes- und Fantasiewelt zustrebenden Jüngling gefördert, ihn getröstet beschützt, und ihm alles gegeben was sie in Besitz hatten. Ebenso voll Liebe und Bescheidenheit trat meine noch lebende Schwester gegen mich zurück, um das, wenn auch nicht verstandene, doch gefühlte reichere Dasein des Bruders zur Entwicklung zu bringen. Ich mußte dann noch in Kassel als Goldschmied in Arbeit treten. Durch den Krieg von 1866 trat dann eine durch hier in kurzen Worten nicht auszuführende Lebenswende für mich ein.

Ich war in der Lage durch das Interesse, das ein reicher Patrizier in Nürnberg (Anm.: Schwanhäuser) für mich faßte, die dortige Kunstschule abends von 5 - 7 zu besuchen . Am Tage mußte ich mir durch Holzschnitzen meinen Lebensunterhalt verdienen.

Später wurde ich durch Unterstützungen eben dieses Kaufmannes und durch ein Stipendium der Königin Elisabeth von Preußen in den Stand gesetzt sorgenloser zu studieren.

3 Jahre besuchte ich die Kunstschule zu Nürnberg (Anm.: die hervorragenden Zeugnisse sind erhalten) und legte dort unter v. Krelings genialer Leistung den Grund meiner künftigen künstlerischen Thätigkeit. Auch er förderte mich durch persönliches Interesse. Dort wurde ich bekannt mit einer großen Anzahl jetzt sehr hervorragender Künstler, die alle Schüler der Kunstgewerbeschule dort waren. Es sind dies S. A. Kaulbach, Löfz, Hildebrand, Hamburger, Raupp, der andere Kaulbach, Weigand und viele andere, welche besonders in München einen Namen sich erworben und aus obigem Institut hervorgingen.

Dann ging ich mit dem Reste meines Stipendiums nach Berlin, trat dort in das Atelier von Afinger und dann in das Bläsers.

Ich bemühte mich dann lange Jahre (8 - 10 Jahre) um Beschäftigung in Berlin, ohne solche zu finden und ernährte mich durch Zeichnen für illustrirte Zeitungen sehr kümmerlich (Anm.: bisher war nichts derartiges aufzufinden).

Ich verheirathete mich mit 25 Jahren mit einem Frl. v. Frankenberg ebenso arm an irdischen Gütern als ich. Durch Anfertigung von kunstgewerblichen Sachen, Fontainen, Kriegerdenkmalen für Zinkguß hielt ich mich und meine Familie (Anm.: der 3-jährige Sohn Anzio starb 1882) nothdürftig Jahrzehnte über Wasser in Berlin.
Ich hatte nach Abschluß meines Stipendiums großherzig noch eine kleine Summe zur italienischen Reise erhalten und war 1/4 Jahr in Rom.

Durch den Auftrag eines Grabdenkmals für Nürnberg in Marmor war ich im Stande, in Venedig eine Concurrenz-Arbeit für den Michael Beerschen Preis zu machen. Besonders auf meine der Akademie vorgelegten Bleistiftcompositionen, welche ich in einem kleinen Buch gesammelt hatte, erhielt ich den 1. Preis. Ich reiste mit ihm nach Rom und arbeitete dort meine erste größere Gruppe.

Nach Berlin zurückgekehrt wurde ich nur durch einige Bestellungen der Familie Hardt vor dem Hungertode gerettet, da es mir trotz der unsäglichsten Anstrengungen nicht möglich war auch nur eine Cariatide von einem der vielen Architekten zu erhalten.
Es war um mich herum ein Wühlen im Golde und künstlerischen Aufträgen für Berlin durch die Gründerzeit entstanden. Nichts aber war für mich zu erreichen.

Endlich erbarmte sich auf flehentliches Bitten der hoch gebildete und feinsinnige Architekt Gropius meiner, indem er mir den kl. Rest seiner Aufträge für das Gewerbemuseum gab. Eine Deckenrosette. Es wurde mir eine Kellerraum im Neubau angewiesen in welchem ich nun einige Werke schuf die mir halfen meinen Namen etwas bekannt zu machen. Es war der Dornauszieher, die Flötenspielerin, eine Apotheose des Kaisers und mehreres Anderes.

Durch die Güte und das Interesse welches der damalige Architekt Heiden für mich hatte, wurden mir noch Anfertigung eines Fischerei-Brunnens auf der Ausstellung, größere Aufträge, auch staatlicherseits, als 2 Statuen für Kiel in Sandstein / Relieffries für das Cultusministerium. Später wurde mir der Dornauszieher, welchen ich in Marmor ausgeführt auf die Kunstausstellung brachte, für die Nationalgalerie abgekauft. Die kl. goldenen Medaillen erhielt ich in Berlin und München.

Ich bin zum 2ten Mal verheirathet seit 5 Jahren mit Gräfin Maria v. Hertzberg, Tochter des in Cassel verstorbenen Generals Graf v. Hertzberg.

Über meinen späteren Lebensgang, der vornehmlich aus Arbeit besteht, geben meine vorn aufgezählten Werke Aufschluß.

Wegen meiner zarten Gesundheit (Anm.: das haben Menschen bestätigt, die ihn persönlich kannten) lebe ich still und zurückgezogen ohne persönlich in das öffentliche Leben zu treten. Auch mußte ich aus diesem Grunde eine Stelle als Lehrer am Gewerbemuseum vor Jahren aufgeben.

In Hannoversch Münden meiner Heimatstadt habe ich ein kleines Waldhaus (Anm.: das er "Eberburg" nannte, mit Kaiser-Wilhelm-I-Denkmal auf der Skulpturenterrasse und neoklassizistischen Atelierbau) in welchem ich die Sommermonate mit meiner Familie verlebe. Im Winter bin ich oft in Rom".


Anmerkung:
In der Rubrik des Fragebogens zu "Persönliche, Familien- und Militärverhältnisse" fällt auf, daß er als protestantisch Konfirmierter unter Religion "katholisch" angibt (der Vater war katholisch, die Mutter evangelisch) und unter "Militärdienst" "militärfrei". In Rubrik "Bildungslaufbahn" führt er an "Kunstgewerbeschule in Nürnberg" und "Hospitant an der Berliner Akademie, Aktsaal".
In der Rubrik "Studienreisen" ist zu lesen: "1-jähriger Aufenthalt in Rom. Gelegentlich des Michael-Beerschen-Stipendiums 1/2-jähriger Aufenthalt in Venedig. 15-maliger Studienaufenthalt teils 1/2-jährig, teils 1/4-jährig in Rom. Paris. Ständiges Atelier in Rom, jetzt via Colosea (Anm.: siehe auch Peter Springer: Berliner Bildhauer des 19. Jahrhunderts in Rom)."
Unter "Berufsthätigkeit vor Eintritt in den öffentlichen Dienst" steht: "Einige Jahre Lehrer am hiesigen Gewerbemuseum".


Der Fragebogen fährt wie folgt fort:

Haupt-Werke
("möglichst unter Angabe der derzeitigen Besitzer nebst Entstehungsjahr") sind:

T I T E L

Entstehungsjahr

Besitzer

Dornauszieher 1885 Nationalgalerie
Psyche 1889 angekauft Kunstverein in Wien
Relief am Kultusministerium, 45 Meter lang, die geistige Tätigkeit des Ministeriums darstellend    
Anzahl idealer Marmorwerke in privatem Besitz wie . . .    
Amor und Psyche   R. Mosse
Venus züchtigt Amor   angekauft Kunstausstellung 1890
Verwundete Psyche, Privatbesitz   Banquier Kappel, hier
Bogenspanner    
Reiterstandbild Kaiser-Wilhelm-I. für Mannheim 1892  
Reiterstandbild Kaiser-Wilhelm-I. Elberfeld 1893  
Standbild Kaiser-Friedrich für Elberfeld 1894  
Standbild Bismarck Crefeld 1894  
Reiterstandbild Kaiser-Wilhelm-I. Gera 1894  
Denkmal Kaiser-Wilhelm-I. und Bismarck Ruhrort, im Guß 1896  
Reiterstandbild Kaiser-Wilhelm-I. für Gladbeck in Auftrag, jetzt aufgestellt 1897  
2 Gruppen Bronze für das landwirtschaftliche Museum Stuttgart 1895  
Reiterstandbild Kaiser-Wilhelm-I. Altona 1897  
2 monumentale Brunnen Bronze Mannheim 1897-98  
Standbild Kaiser-Wilhelm-I. Marmor Crefeld 1896  
Reiterstandbild Herzog Ernst Coburg 1898-99  
 
Eberlein-Museum in Hannöversch. Münden, Geschenk des Bildhauers an die Heimatstadt enthaltend sämtliche großen Original-Modelle, Handzeichnungen und Gemälde, die in den Jahren von 1866 - 1898 von der Hand des Künstlers entstanden sind, in den, demselben zu einem Eberlein-Museum vom Staat zugewiesenen Räumen des Schlosses, bestehend aus der Schloßkirche, Kapelle, Nebenräumen und Sälen. Das Museum hat der Künstler ganz auf seine Kosten hergestellt und kostenlos der Stadt überwiesen.
( Anm.: siehe "Museumskataloge von 1905 und 1931" sowie "Tragisches Schicksal der Werke")
:
Goethe-Büste, Geschenk des Künstlers an seine Herzogliche Hoheit den Großherzog von Weimar für das Goethe-Museum.
Büste des Herzogs von Meiningen, Geschenk des Künstlers an die Officiers-Messe in Meiningen.
Crucifix 2/3 lebensgroß, Geschenk an die Kirche des Heimatortes des Künstlers in Terracotta.

 

Unter "Orden, Ehrenzeichen usw." ist im Lebenslauf aufgeführt:

Art der Auszeichnung Datum der Ernennung
Rother Adlerorden 4. Classe 23.12.1894
Kronenorden 4. Classe 11.10.1893
Zähringer Löwen Ritterkreuz 1. Classe 14.10.1894
Orden für Kunst und Wissenschaft, Reuß 22.03.1894
Ritterkreuz I. Classe des Herzoglichen Ernestinischen Hausordens, Meiningen 02.04.1898
Kronenorden 3. Classe 13.06.1898
1886 wurde ich zum Mitglied der Akademie erwählt.
1892 erhielt ich auf Vorschlag der Akademie den Professorentitel.

 

Anmerkung:
Dem Fragebogen im Archiv liegt ein von Eberlein "signiertes" Foto bei, das ihn in selbstbewußter Pose sitzend zeigt (Aufnahme: Königliche Hof-Photographen Reichard & Lindner; wird hier in Kürze veröffentlicht).


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Rolf Grimm
Letzte Änderung:
13.06.2013